Hitler-Bayreuth? Wieland Wagner im Zwielicht | Von Ulrich Teusch

Den vollständigen Standpunkte-Text (inkl ggf. Quellenhinweisen und Links) findet ihr hier: https://kenfm.de/hitler-bayreuth-wieland-wagner-im-zwielicht-von-ulrich-teusch/ In wenigen Tagen beginnen die Bayreuther Richard-Wagner-Festspiele. Eine Reihe Corona-bedingter Einschränkungen dürfte den Kunstgenuss trüben, aber immerhin: anders als im vergangenen Jahr kann das Festival 2021 wieder steigen. Zudem steht diesmal ein Jubiläum an, denn 1951, also vor 70 Jahren, ging „Neubayreuth“ an den Start. Die Festspiele im BRD-Kontext sollten die zwölf braunen Jahre unter der Ägide der Hitler-Verehrerin Winifred Wagner vergessen machen. Dieser künstlerische Aufbruch ist aufs engste mit Wieland Wagner verbunden, einem Enkel des Komponisten. Er leitete die Nachkriegsfestspiele (zusammen mit Bruder Wolfgang) bis zu seinem frühen Tod 1966. Nach wie vor genießt Wieland Wagner vielerorts einen legendären Ruf. Doch war dieser Mann wirklich die untadelige Lichtgestalt, als die er lange Zeit erschien? Ein Standpunkt von Ulrich Teusch. Pünktlich zum Festspiel-Jubiläum hat der Musik- und Theaterwissenschaftler Anno Mungen unter dem Titel „Hier gilt’s der Kunst“ (ein Zitat aus den Meistersingern) im Frankfurter Westend Verlag ein schmales, sorgfältig recherchiertes, dicht und elegant geschriebenes Buch vorgelegt, das der Frage nachgeht, was der 1917 geborene Wieland Wagner eigentlich in der NS-Zeit getan und gelassen hat. Wie agierte er, bevor er schließlich nach dem Krieg in Bayreuth künstlerisch zum Zuge kam und als fortschrittlicher Reformer, Modernisierer und Ahnherr des wirkmächtigen Regietheaters gefeiert wurde? War dieser Weg zum Republik-kompatiblen Festspielchef vorgezeichnet? War schon in den 30er und 40er Jahren erkennbar, wohin sich Wieland Wagner künstlerisch und politisch dereinst bewegen würde? Die Antwort lautet: Nein, das war nicht oder nur mit großer Mühe erkennbar. Mungen attestiert dem jungen Wagner ein fragwürdiges Verhalten im „Dritten Reich“. Seine Darstellung bewegt sich auf Linien, die in den vergangenen Jahren schon von anderen Autoren (etwa der Historikerin Brigitte Hamann) beschritten wurden. Ohne die Nachkriegsverdienste Wagners in Abrede zu stellen, unterzieht Mungen dessen Gebaren in der NS-Zeit einer kritischen Würdigung, die nichts verschweigt oder verklärt. Wie Vater und Sohn. Schon das Buchcover ist vielsagend: Da sieht man einen ernst, beinahe herrisch in die Kamera blickenden Adolf Hitler, rechts von ihm und untergehakt einen zur Seite schauenden Wieland Wagner, ein wenig unsicher und befangen wirkend. Es könnte sich auch um das Bild eines gestrengen Vaters und seines folgsamen Sohnes handeln. Das Titelbild lässt eine enge, tiefe Beziehung zwischen dem Diktator und dem jungen Spross des Wagner-Clans vermuten. Es sind vor allem die Jahre 1941 bis 1945, für die Mungen sich interessiert. Auf Basis welcher Quellen tut er das? Da sind natürlich zunächst die Nachlässe Wieland Wagners, seiner Ehefrau und seines Bruders, dazu die beiden Bayreuther Tageszeitungen. Vor allem aber konsultiert Mungen die Tagebücher der Gertrud Strobel – Tausende von eng beschriebenen Seiten. Gertrud Strobel und ihr Mann arbeiteten in der „Richard-Wagner-Forschungsstätte“ und lebten in unmittelbarer Nachbarschaft zu den Wagners. Gertrud hielt alle Haupt- und Nebensachen fest, die ihr zu Ohren und vor die Augen kamen. Ihre Aufzeichnungen, bislang nicht ediert, sind einen Fundgrube, aus der Anno Mungen reichlich schöpfen kann. Schon einer der ersten Hinweise auf Gertrud Strobel, sehr früh im Buch, mag irritieren: Denn da wird sie zum einen als „überzeugte Nationalsozialistin“ vorgestellt. Doch zum anderen heißt es, die Leiter der Festspiele (also Winifred Wagner und ihr Team) seien ihr ein Dorn im Auge gewesen. Man fragt sich: Wie kann das sein? Immerhin handelte es sich bei den damaligen Festspielen um „Hitler-Bayreuth“! Was genau hat die überzeugte Nationalsozialistin auszusetzen? Doch damit nicht genug: Gertrud Strobel und ihr Mann, heißt es weiter, hätten als Wieland Wagners „Komplizen“ gehandelt. Soll man daraus schließen, dass auch Wieland gegen die Leitung der Festspiele (und damit gegen seine Mutter) opponierte? Wäre das nicht eine merkwürdige, im Grunde unwahrscheinliche Konstellation? Hitler in Bayreuth. Der Begriff „Hitler-Bayreuth“ ist schon gefallen. Was hat man darunter zu verstehen? Ein Antwortversuch muss historisch etwas weiter zurückgreifen: Im Ersten Weltkrieg und in den Inflationsjahren der Weimarer Republik hatte es keine Bayreuther Festspiele gegeben. Das Unternehmen litt unter einer erheblichen Schuldenlast. Dem damaligen Festspielleiter Siegfried Wagner, Sohn des Komponisten, war es darum zu tun, bei potentiellen Förderern und Besuchern den Festspielgedanken wach zu halten und das bisher Geleistete in einem günstigen Licht erscheinen zu lassen. Zu diesem Zweck veröffentlichte er 1923 eine kleine Autobiografie. Im Jahr 1923 war es auch, dass der Wagner-Verehrer Adolf Hitler dem Bayreuther Haus Wahnfried erstmals seine Aufwartung machte. Er gewann die Sympathie Winifreds, der aus England stammenden Gattin Siegfried Wagners. Ihre Zuneigung war nicht nur persönlicher, sondern auch politischer Natur. Sie engagierte sich fortan für die nazistische „Bewegung“. Als Mitte der 1920er Jahre nach langer Pause endlich wieder Festspiele stattfinden konnten, war Hitler abermals zugegen. Seine erste Bayreuther Götterdämmerung (1925) wurde für ihn zu einem rauschhaften Erlebnis. Und seine Beziehung zur Wagner-Familie gewann eine außergewöhnliche Intensität…weiterlesen hier: https://kenfm.de/hitler-bayreuth-wieland-wagner-im-zwielicht-von-ulrich-teusch/ +++ KenFM jetzt auch als kostenlose App für Android- und iOS-Geräte verfügbar! Über unsere Homepage kommt Ihr zu den Stores von Apple und Google. 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