Argentinien: Inflations-Chaos und Anarcho-Kapitalismus

Die Preise explodieren, die Auslandschulden sind enorm. Argentinien findet nicht aus seiner schweren Wirtschaftskrise. Das Vertrauen in die politischen Eliten ist dahin. Profitiert davon bei den Wahlen im Oktober ein exzentrischer Populist vom rechten politischen Rand? «Ich kandidiere nicht, um eine Schafherde anzuführen - ich kandidiere, um Löwen aufzuwecken. Lang lebe die Freiheit, verdammt!» schmettert Javier Milei, Ökonom und Populist. Mileis Ideen sind radikal: Er sagt von sich selbst, er sei ein Anarchokapitalist. Der 52-jährige Rechtsaussenpolitiker schwärmt von einem Argentinien, in dem der Markt alles bestimmt. Milei trat zuerst als Ökonom im Fernsehen mit seinem ultra-liberalen Diskurs auf. Er sagte, die Zentralbank gehöre in die Luft gesprengt. Oder: Die Mafia sei ihm lieber als der argentinische Staat, weil die Mafia den Wettbewerb suche. Doch nun bewirbt sich der politische Selbstdarsteller ausgerechnet für den Posten als Regierungschef ebendieses Staates. Bei den landesweiten Vorwahlen holte er mit seinen radikalen Ideen rund 30 Prozent der Stimmen, mehr als jeder anderer Kandidat. «Die Leute hoffen auf einen Neuanfang», bringt Experte Pablo Stefanoni das Phänomen Javier Milei auf den Punkt. Tatsächlich haben nach Jahrzehnten der Krisen viele das Vertrauen in die Politik verloren. «Wir brauchen Veränderung, so kann das nicht weitergehen», sagt etwa der 71-jährige Händler Roberto in Buenos Aires. «Unsere Kinder gehen nach Europa, wenn wir die Inflation unter Kontrolle bringen würden, kämen sie zurück». Er will dem Rechtspopulisten Milei eine Chance geben. Ökonom Leandro Mora Alfonsín dagegen hofft, dass der aktuelle Wirtschaftsminister, Sergio Massa, die Wahlen gewinnt. Die demokratischen Institutionen dürften nicht geschwächt, sie müssten gestärkt werden. Argentinien sei im Grunde eine leistungsfähige Volkswirtschaft mit grossem Potential auch für den Export, ist der Ökonom überzeugt. Doch bis jetzt sind mit jeder neuen Krise mehr Argentinierinnen und Argentinier durch die Maschen des Systems gefallen. Das Land feiert 40 Jahre Demokratie nach dem Ende der Diktatur der Militärjunta. Ausgerechnet im Jubeljahr ist ein Rechtsaussenkandidat überzeugt davon, dass er die Macht erlangen kann.

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